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Posaunenchor

Dass die Usenborner Gemeinde einen Posaunenchor hat, der das Gemeinde- und Dorfleben lautstark prägt, ist allseits bekannt. Doch dies war nicht immer so. Nutzen wir nun die Gelegenheit und beleuchten die Geschichte dieser Usenborner Institution etwas genauer. 

Posaunenchor
Umzug Posaunenfest 27. Mai 1927

Die Geschichte der Posaunenchöre 

Die Posaune galt lange Zeit als das Instrument der Oberschicht. Im Mittelalter waren die Posaunisten, Trompeter und Zinker die einzigen „Profimusiker“ und als solche in der Zunft der „Stadtpfeifer“ organisiert. Mit ihrem majestätisch-triumphalen Klang unterschieden sich diese Instrumente stark von der Musik der Bauern und des Bürgertums. Komponisten wie Giovanni Gabrieli und dessen Schüler Heinrich Schütz prägten die Renaissance und den Frühbarock mit ihren Concerti, Canzone und Motetten zum Lobe Gottes. Doch es waren stets Profimusiker, die diese Instrumente beherrschten. 

Die Geschichte der Posaunenchöre als Laienchöre begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Ein Grund dafür war die stete Weiterentwicklung der Instrumente. Frühe Trompeten sahen noch aus wie kleine Posaunen und besaßen einen Zug oder nur Löcher, durch die sie ähnlich wie Flöten gespielt wurden. Durch die Erfindung der Ventile wurde es leichter, das Spielen dieser Instrumente zu erlernen. 

Doch die Frage ist, warum es gerade die evangelischen Kirchen waren, in denen sich die Posaunenchöre schließlich etablierten. 

Ausgangspunkt für die Gründung der Posaunenchöre war der Pietismus, eine geistliche Strömung, die sich dadurch auszeichnete, dass der persönliche Glaube jeder Person sich eine innere „Wiedergeburt“ zur Folge haben solle, die sich auch nach außen durch Werke der Liebe zeigt. Dazu gehörten sowohl missionarische als auch diakonische Werke. Posaunenchöre entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Zuge der Erweckungsbewegung, die verstärkt versuchte, den Glauben zu leben und weiterzutragen. Und wie ließe sich lautstarker verkündigen als mit Bläsermusik? Die wichtigsten Vorreiter und geistigen „Väter“ der Bläsermusik waren Paster Eduard Kuhlo und sein Sohn Johannes Kuhlo, die selbst Posaunenchöre gründeten und bei der Gründung einer Vielzahl von Chören im Raum Westfalen halfen. Unter anderem trugen sie Choräle, Volkslieder und Motetten zusammen und gaben sie als einheitliche Literatur für Bläser heraus. Johannes Kuhlo ist es zudem zu verdanken, dass Posaunenchorliteratur in „klingender“ Schreibweise notiert ist, die es Bläsern ermöglicht, zusammen mit Gesangschören und Orgeln zu musizieren, ohne eigene Noten zu benötigen. So war es möglich, die Chorliteratur zu vereinfachen, die Stimmen nicht mehr einzeln notiert werden musste. Bis heute arbeiten Posaunenchöre mit solchen Partiturnoten. 

Aus der Erweckungsbewegung resultierte die Tatsache, dass Posaunenchöre mit ihrer Musik im Gegensatz zu weltlichen Kapellen stets zwei Ziele verfolgten: die Zuhörer zu erfreuen und Gott zu loben.

Eduard und Johannes Kuhlo wussten, wie wichtig Gemeinschaft für Bläser sein würde und so organisierten sie bereits seit den Anfangstagen der Posaunenchorbewegung Kreis- und Bezirksfeste, zu denen Bläser aus vielen verschiedenen Orten und Gemeinden zum gemeinsamen Spielen zusammenkamen. Diese Bewegung breitete sich in den 1860er Jahren von Westfalen kommend im ganzen deutschsprachigen Raum aus und sollte bald auch ihren Weg nach Usenborn finden. Heutzutage gibt es bundesweit über 100.000 Bläser, von denen 18 auch in unserem kleinen Vogelsbergdörfchen aktiv sind.

Usenborner Posaunenchor in den 1920er Jahren

Der Posaunenchor in Usenborn

 Böse Zungen behaupten, dass eine Veränderung, die es bis nach Usenborn schafft, schon gewaltige Auswirkungen auf das Weltgeschehen gehabt haben muss. Für die Bläsermusik gilt das sicherlich. Deshalb werfen wir nun eine Blick auf die Anfangszeit des Posaunenchors.

Die Idee zur Gründung eines Posaunenchors stammte von Johannes Winter aus Höchst, wo sich bereits im Frühjahr des Jahres 1907 ein Posaunenchor gründete. Diese Idee fand binnen Kurzem mit Heinrich Müller, Friedrich Winter und Georg Geiss eine Reihe von Fürsprechern, böte ein Posaunenchor doch eine weitere Möglichkeit zum Lobe Gottes (und um sich von der ortsansässigen Landeskirche zu unterscheiden). Doch wie man einen Posaunenchor gründen sollte, wussten sie nicht. So baten sie den hiesigen Pfarrer Richard Lucius, ihnen bei der Gründung behilflich zu sein. Dieser kontaktiere seinen Amtsbruder und damaligen Höchster Pfarrverwalter Gerhold, der am 4. Juni 1907 nach Usenborn kam, um mit Pfarrer Lucius und interessierten Bläsern die Details einer Chorgründung zu besprechen.  Nur etwas mehr als einen Monat später reisten die Usenborner Bläser zum Missionsfest nach Höchst, um dem dortigen Posaunenchor beim Musizieren zu lauschen. 

Die endgültige Gründung des Posaunenchors erfolgte am 28. Juli 1907. Adalbert Lucius wurde als erster Chorleiter auserkoren, doch bereits wenige Monate später übertrug er diesen Posten an Philipp Emrich. Die Instrumente waren bereits im Juni 1907 zuvor bestellt worden. 

Die erste Besetzung des Posaunenchors bestand aus

  1. Stimme

                 Fritz Winter, Heinrich Müller, Karl Weinthäter II (Flügelhorn), Adalbert Lucius (Fürst-Plesshorn)

  1. Stimme 
    Heinrich Conrad, Georg Weinhäter, Johannes Geiß (Flügelhorn)

  2. Stimme
    Georg Geiß, Heinrich Weinthäter (Tenorhorn)

  3. Simme
    Wilhelm Conrad (Bariton), Philipp Emrich (Bombardon), Heinrich Geiß (Helikon). 

Die Besetzung richtete sich dabei präzise nach den Angaben aus dem von Johannes Kuhlo herausgegebenen „Posaunenchoralbuch“. 

Die Bläser übten daraufhin jeden Abend etwa 1 ½ Stunden. Wie die Anfänge geklungen haben mögen, können wir nur ermessen, doch wie jeder, der einmal eine Trompete oder Posaune in Händen hielt, weiß, gehört einiges an Übung und gutem Willen dazu, um den Instrumenten melodische Töne zu entlocken. Es mag eines sein, ein Instrument von einem erfahrenen Lehrer zu lernen, doch eine Gruppe vollkommen unerfahrener Musiker zu unterrichten, ist eine ganz besondere Herausforderung. Diese wurde zum Glück durch unsere Schwestergemeinde in Höchst unterstützt. Die Chronik des Chores sagt dazu: „11. VIII. Die Höchster Posaunenbläser hier; blasen mit den Usenbörnern, was diesen sehr dienlich ist.“ Die ersten Lieder, die die Bläser einstudierten, waren „Herr Jesu Christ, dich zu uns wend“, „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ und „Ringe recht, wenn Gottes Gnade“. 

Posaunenchor in den 199ern

Mit ihrer Gründung gaben sich die Bläser eine Satzung, die in Kopie noch heute vorliegt. Diese zeigt deutlich die Sonderstellung der Posaunenchöre unter allen Musikgruppen auf und ist durch die eingangs erwähnte Erweckungsbewegung geprägt. Sein allgemeiner Zweck, den „Gottesdiensten durch heilige Musik“ zu dienen, findet sich in §1, doch bereits in §3 heißt es, der besondere Zweck des Posaunenchors sei es, den Bläsern „zu christlicher Zucht und Sitte und damit zur Erfüllung ihres Confirmationsgelübdes zu helfen. Dass jeder Posaunenbläser einen ordentlichen, anständigen Lebenswandel führen und in Reden und Tun unanstössig sich betragen muss, ist selbstverständlich.“ 

Die ersten Instrumente waren Choreigentum. Diese wurden für die Summe von 464,50 Mark angeschafft, einer unglaublichen Summe, wenn man bedenkt, dass die Baukosten der Kirche vier Jahre zuvor nur etwa 10.000 Mark betrugen. Aus diesem Grund ist es verständlich, dass die Kosten für die Bläser in den Anfangsjahren ein entscheidender Faktor waren und auch in der Chorsatzung einen entsprechenden Raum einnahmen. Zwar hatte die Kirchengemeinde dem Chor ein Darlehen gewährt, doch wollte dieses zurückgezahlt werden. Jeder Bläser, der sich dem Chor anschließen wollte, musste ein Eintrittsgeld von 5 Mark bezahlen und die Bläser verpflichteten sich, einen wöchentlichen Beitrag von 50 Pfennig aufzubringen, um die Instrumente abzubezahlen. So verwundert es auch nicht, dass die Satzung ebenfalls Strafen für das unentschuldigte Verspäten oder Ausbleiben von den Übungsstunden (jeweils 10 bzw. 20 Pfennig) aufweist. Im Laufe der Jahre erhielt der Posaunenchor von Freunden und Nachbarn immer wieder Spenden, um Instrumente und Bücher anzuschaffen. So sind heutzutage Strafen nicht mehr nötig, um den Finanzbedarf des Chores zu decken, auch wenn gemunkelt wird, dass sie dem Übungsbesuch vielleicht ein wenig mehr Eifer verleihen könnten. 

Schon bald nach seiner Gründung beteiligte sich der Posaunenchor auch an überregionalen Veranstaltungen und war Gast bei einer Vielzahl von Posaunenfesten. Doch weil sich die Anreise zu diesen Veranstaltungen für die Bewohner dieses Vogelsbergdörfchens oft als sehr strapaziös herausstellte, entschied man, im Jahre 1924 zum ersten Mal ein eigenes Posaunenfest in Usenborn abzuhalten und kurzerhand die anderen zu sich einzuladen. Diesem Posaunenfest sollten noch drei weitere in den Jahren 1950, 1971 und 1989 folgen, deren musikalische Ausgestaltung sich mit den Jahren zwar gewandelt hat, aber deren Sinn dabei stets der gleiche geblieben ist. 

100 Jahre Posaunenchor Usenborn

Wie jeder Verein hatte auch der Posaunenchor Höhen und Tiefen zu durchleben. Zweimal, während der beiden Weltkriege, ruhte das Bläserleben in der Gemeinde, jedoch fanden sich danach immer wieder Freiwillige, die das Bläserhandwerk erlernten. Seit Anfang der 1970er Jahre ruhten die Geschicke des Posaunenchors in den Händen von Hermann Schmidt und Manfred Raithel, die die Leitung des Chores übernahmen und sich verstärkt um die Ausbildung der Jungbläser kümmerten. Von der „alten Garde“ verblieb zu dieser Zeit nur Wilhelm Weinthäter im Chor. Seit Manfred Raithel das Amt des Organisten übernommen hatte, war Hermann Schmidt alleine für die Leitung des Chores verantwortlich. In dieser Zeit gab es eine merkliche Veränderung im Chor: War dieser bislang nur Männern vorbehalten, durften nun auch Frauen Mitglied werden. Und auch wenn sie im Usenborner Chor im Gegensatz zu vielen anderen Chören stets in der Minderheit waren, haben sie das Vereinsleben sehr bereichert. 

Auch in jüngerer Vergangenheit gab es schwierige Momente für den Posaunenchor. Die Corona-Pandemie hat es auch uns schwierig bis unmöglich gemacht, über mehrere Jahre einen geordneten Übungsbetrieb aufrecht zu erhalten. Doch in dieser Zeit besann dich der Chor wieder auf seine Kernaufgabe: auf musikalischem Wege Hoffnung und Zuversicht mit dem Lobe Gottes zu verbreiten. Mit Balkonkonzerten und Freiluftständchen verteilt über das ganze Dorf spielte der Posaunenchor ein Jahr lang jeden Sonntag zur Freude der Dorfbewohner einige Choräle. 

Posaunenchor im Jahr 2024

Ein Großteil der Bläser ist dem Verein bereits seit mehreren Jahrzehnten treu geblieben, was sich auch im Durchschnittsalter der aktuellen Besetzung niederschlägt. Doch seit etwa einem Jahrzehnt kümmert sich Matthias Geiß verstärkt um die Ausbildung der Jungbläser, sodass inzwischen wieder Bläser jeder Altersgruppe dem Chor angehören. 

 

Der Posaunenchor hat heute noch ein reges Vereinsleben, das sich weit über die Gottesdienstbegleitung erstreckt. Er kommt seinem diakonischen Auftrag in Form zahlloser Ständchen bei Veranstaltungen und in Seniorenheimen nach, begeistert regelmäßig mit Advents- und Sommerkonzerten und ist sichtbares Zeichen gelebter Ökumene unserer Gemeinde. 

Durch regelmäßige Bläserlehrgänge finden immer wieder neue Jungbläserinnen und Jungbläser den Weg in den Chor, sodass der Posaunenchor auch in Zukunft noch sehr aktiv sein wird. Frei nach dem Motto: Gott zur Ehr, dem Nächsten zum Gehör. 

 

Der Posaunenchor übt wöchentlich donnerstags um 19.30 Uhr in unserer Kirche. Gastbläser sind jederzeit herzlich willkommen!