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Geschichte der Gemeinde

Kurzer Überblick über die Geschichte der St. Simon-Judae-Gemeinde zu Usenborn 

Wo kommt unsere Gemeinde her? Wofür stehen wir? ‒ Die Grundordnung der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK), zu der wir gehören, drückt es so aus: „Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche steht in der Einheit der heiligen, christlichen und apostolischen Kirche, die überall da ist, wo das Wort Gottes rein gepredigt wird und die Sakramente nach der Einsetzung Christi verwaltet werden. Sie bezeugt Jesus Christus als den alleinigen Herrn der Kirche und verkündigt ihn als den Heiland der Welt.“ ‒ Das gilt für unsere Gemeinde als Teil der SELK; dafür stehen wir. Und wir haben Anteil an der Geschichte der Kirche, wie sie sich über die Jahrhunderte entwickelt hat. Wir entstammen wie alle Gemeinden einer Wurzel: Der Stiftung der Kirche durch Jesus Christus und deren Fortführung und Ausgestaltung durch die Apostel. Erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist (Eph. 2,20) wuchs die Kirche und verzweigte sich – wie ein großer, jahrhundertealter Baum. Doch bei diesem Wachstum kam es im Getriebe der Welt immer wieder zu Ab- und Umbrüchen, deren Gründe wir hier nicht erörtern können. An einem Umbruch des kirchlichen Lebens kommen wir als lutherische Kirche jedoch nicht vorbei: der Reformation. 

 

Am 31. Oktober 1517 schlug Luther seine 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. So nahm die Reformation ihren Anfang – und begann ihrerseits rasch, sich zu verästeln, denn die Kirche war von vielerlei ‚Baustellen‘ geplagt, und der Umgang damit gestaltete sich bei verschiedenen Reformatoren unterschiedlich. Im Landgericht Ortenberg jedenfalls, zu dem Usenborn damals gehörte, wurde die Reformation lutherischer Prägung zwischen 1535 und 1541 geordnet durchgeführt. 

Noch zu Lebzeiten Luthers kamen Bestrebungen auf, die verschiedenen reformatorischen Bewegungen einander anzunähern und zusammenzuschließen. Aufgrund unterschiedlicher Herangehensweisen an die Heilige Schrift und dadurch bedingter Lehrunterschiede mussten diese Bestrebungen jedoch ins Leere laufen. Erst im 19. Jahrhundert, beginnend in Preußen, war solchen Bemühungen ein gewisser Erfolg beschieden – auch, weil der Staat kräftig nachhalf und derartige Vereinigungsversuche anstieß und beförderte. Allerdings konnten und wollten sich nicht alle Kirchglieder diesen Unionsbestrebungen fügen, da sie klar erkannten, dass Lehrunterschiede und daraus herrührende unterschiedliche kirchliche Praxis so nicht gelöst und miteinander versöhnt, sondern allenfalls überdeckt werden würden. Dies betraf etwa die Feier des Heiligen Abendmahls, aber auch viele andere Bereiche des kirchlichen Lebens. Schon länger war ein Rückgang des konfessionellen Bewusstseins zu beobachten, in dessen Folge die lutherischen Kirchen Deutschlands ihren Charakter immer mehr einzubüßen drohten. Die seit Ende des 18. Jahrhunderts spürbaren Auswirkungen des Rationalismus und des Pietismus taten dabei ein Übriges. Vor diesem Hintergrund wurde 1851 in Oberhessen die „Lutherische Einigung“ ins Leben gerufen, zu deren Begründern der Höchster Pfarrer Bingmann zählte. Die „Einigung“ setzte sich zum Ziel, die Grundsätze der Lutherischen Kirche in allen Bereichen kirchlichen Lebens (wieder) zur Geltung bringen. So sollte die Kirche wieder auf den sicheren Grund der Heiligen Schrift und der lutherischen Bekenntnisse gestellt werden. Sicherheit gewähren diese Bekenntnisse, weil sie mit dem Wort Gottes übereinstimmen. Darum können sie das kirchliche Leben zur Ehre Gottes und zum Heil der Seelen ordnen – darauf kommt es an; und dafür wuchs im 19. Jahrhundert wieder das Bewusstsein. 

 

Im Großherzogtum Hessen wurde durch Edikt vom 6. Januar 1874 die Evangelische Landeskirche offiziell eingeführt, nachdem sie bereits seit 1871 provisorisch bestanden hatte. Dieser neuen Landeskirche sollten alle lutherischen, reformierten und unierten Gemeinden im Großherzogtum angehören. In Usenborn hatte seit 1859 Pfarrer Karl Kißner gewirkt. Er lehnte die Einführung der Landeskirche ab, verstarb aber schon kurz nach deren Gründung am 18. Januar 1874. Wenig später, am 19. März 1874, sandte die Usenborner Kirchengemeinde unter Führung ihrer Vorsteher Bürgermeister Johannes Vogel, Johann Ernst Ritzel, Kaspar Geiß, Heinrich Emrich V. und Johann Balthasar Jöckel ein Schreiben an die großherzögliche Regierung, in dem sie die Verfassung der neuen Landeskirche als gegen Gottes Wort und die lutherischen Bekenntnisse verstoßend ablehnte. Wenig später wurde am 22. April 1874 der „renitente“ (d.h. entschieden lutherische) Pfarrvikar Richard Lucius als Pfarrverwalter nach Usenborn berufen; der Graf zu Stolberg-Wernigerode, Patronatsherr der St. Laurentiuskirche, versagte ihm jedoch die Präsentation und Anerkennung. Im April 1874 begab sich der Büdinger landeskirchliche Dekan mehrmals nach Usenborn und warb für den Beitritt zur Landeskirche; daraufhin traten im Laufe des Jahres etwa 60% der Einwohner dieser bei. Die übrigen Einwohner Usenborns gründeten am 21. Juni 1874 eine unabhängige lutherische Kirchengemeinde und weihten am 28. Oktober 1875, dem Tage der Apostel Simon und Judas, ihre eigene Kirche im Scheunengebäude einer Hofreite ein – auf demselben Grundstück, wo heute unsere St. Simon-Judae-Kirche steht. Die Gemeinde trat der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche bei, die sich auf einem Konvent der „renitenten“ Kirchengemeinden des Großherzogtums Hessen am 3. November 1877 in Stammheim gründete. Nach einem fünfjährigen Kampf voller Repressalien gegen Pfarrer und Kirchengemeinden wurde diese Kirche am 4. Juli 1879 als eigenständig anerkannt. Es vergingen jedoch noch einmal fünf Jahre, bis die St. Simon-Judae-Gemeinde nach einer Verzichtserklärung auf das Kircheneigentum der St. Laurentiuskirche die Rechte einer juristischen Person erhielt und das Grundstück in der Brunnenstraße auf die Kirchengemeinde überschrieben werden konnte. Im selben Jahr wurde das Pfarrhaus aufgestockt, und 1890 eine Orgel angeschafft. Der erste Organist war Karl Emrich, der auch die Kirchenchöre leitete. Auf einem Konvent am 8. August 1893 in Usenborn schlossen sich die „renitenten“ Kirchengemeinden aus Kurhessen und dem Großherzogtum Hessen zur Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche in den hessischen Landen zusammen. Deren Superintendent war später Ludwig Draudt, der von 1910 bis 1923 in Usenborn als Pfarrer wirkte.

St. Simon-Judae-Gemeinde um 1915

Das Jahr 1903 war von umfangreichen Um- und Ausbaumaßnahmen geprägt, in deren Folge nach einjähriger Bauzeit am 13. April 1904 ein neues Kirchengebäude eingeweiht wurde. Am selben Tage waren auch die Kirchenglocken erstmals zu vernehmen. Wie vielerorts mussten sie nach den beiden Weltkriegen jeweils neu erworben werden. Im Jahr 1929 wurde Franz Greiner Pfarrer der Gemeinde und leitete sie durch die schwere Zeit des Nationalsozialismus. Greiner war bis 1957 der erste gemeinsame Pfarrer der St. Simon-Judae-Gemeinde und der St. Martinsgemeinde zu Höchst an der Nidder – dort hatte er schon seit 1910 gewirkt. In den 50-er Jahren wurden auch zwei neue Fenster für den Altarraum angefertigt, welche die Namensgeber der Kirche darstellen. 

 

1972 schlossen sich nach jahrzehntelangen Einigungsbemühungen die Selbständigen Evangelisch-Lutherische Kirche, die Evangelisch-Lutherische (altlutherische) Kirche und die Evangelisch-Lutherischen Freikirche mit ihren Gemeinden auf dem Gebiet der damaligen Bundesrepublik zur Selbständigen-Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) mit Bischofssitz in Hannover zusammen. 1974 wurde die neue Orgel mit einem Konzert eingeweiht. Gleichzeitig wurde die Orgelempore umgestaltet. 

 

 

Glockenweihe 1949

In den letzten Jahren wurden die Kirche, das Pfarrhaus und das Nebengebäude saniert, Heizungen eingebaut, ein Carport errichtet und der Pfarrhof neu gestaltet. Die Pfarrwohnung wurde nach dem Ende der Sanierungsarbeiten vermietet; und im Erdgeschoss befinden sich nun die Gemeinderäume. All diese Arbeiten wurden soweit irgend möglich in Eigenleistung erbracht. Die Finanzierung stemmte die Gemeinde dank großzügiger Spenden ihrer Gemeindeglieder allein – dies ist umso beachtlicher, als die St. Simon-Judae-Gemeinde aus weniger als 150 Gemeindegliedern besteht. Eigenverantwortlichkeit zeichnet unsere Gemeinde aus: Mit dem entschiedenen Einsatz für die Heilige Schrift und die lutherischen Bekenntnisse ging von Anfang an der persönliche Einsatz für die Gemeinde und ihre Belange einher. – Wäre dem nicht so, wäre unsere Selbstständigkeit kaum denkbar gewesen; und unsere Gemeinde wäre auch nicht so lebendig gemessen an ihrer kleinen Mitgliederzahl. Immer wieder stoßen Menschen zu uns, die all dies schätzen; und es ist uns ein Anliegen, diese Prägung unserer Gemeine auch zukünftig zu erhalten. Dabei wissen wir (und bemühen uns, dies nicht zu vergessen), dass Gott selber es ist, Der Seinen Gemeinden, die treu an Ihm und Seinem Heiligen Wort festhalten, Leben und geistliches Wachstum schenkt – oder wie Martin Luther es einst formulierte: 

„Gott helfe uns, wie er unseren Vorfahren geholfen hat und unseren Nachkommen auch helfen wird. Denn wir sind es doch nicht, die da könnten die Kirche erhalten. Unsere Vorfahren sind es auch nicht gewesen; unsere Nachfahren werden’s auch nicht sein. Sondern der ist es gewesen, ist es noch, wird es sein, der da spricht: Ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende (Mt. 28,20). Unser lieber Herr Christus sei und bleibe unser lieber Herr Christus, gelobt in Ewigkeit. Amen.“